Es ist schon länger her, dass ich gut informiert war über den aktuellen Schulstoff unserer Zwillingstöchter. Über die Wörterschule, über Subtrahieren und Multiplizieren, über die Pharaonen. Jetzt sind sie 16 Jahre alt, sie lernen selbstständig für die Klassenarbeiten, und welches Thema sie in Mathematik behandeln oder in Physik, erfahre ich eher zufällig. Sowieso hätte ich insbesondere in diesen Fächern wenig Fachwissen beizutragen. Leider.
Ich frage natürlich trotzdem immer wieder, es interessiert mich natürlich, was unsere Töchter zwischen 8 und 16 Uhr machen. Und manchmal unterhalten wir uns dann. Neulich zum Beispiel über soziale Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit und über den Unterschied zwischen beidem.
Tolles Thema, dachte ich, gerade in dieser Zeit, und haben wir in meiner Schulzeit eigentlich auch im Unterricht darüber gesprochen? Im Freundeskreis unserer Töchter gibt es große Unterschiede. Die Eltern eines Mädchens besitzen gleich mehrere Autos, andere aber gar keins. Einige leben in großen Häusern, andere in geförderten Wohnungen. Manche fliegen in den Sommerferien nach Thailand, andere bleiben aus finanziellen Gründen zu Hause.
Ist das lediglich ungleich, oder ist es auch ungerecht? Wir haben über Erbe, Besteuerung des Erbes, über Unternehmensteuern, Kapitalertragsteuern und Einkommensteuern gesprochen, und ob die nachfolgenden Generationen ohne Zutun immer vermögender werden, wenn die Vorfahren finanziell erfolgreich waren. Und ob das gut und richtig ist oder nicht.
Ich fand, es war ein sehr schöner Abend. Mir ist dabei auch etwas klar geworden: wie erwachsen unsere Töchter geworden sind. Und dass es spannend ist, mit ihnen über politische Fragen zu debattieren, weil sie eine Haltung haben, diese vertreten, aber auch ins Nachdenken kommen: Warum zum Beispiel wird das Arbeitseinkommen höher besteuert als Kapitalerträge?
Früher haben wir andere Themen miteinander diskutiert: Sind die Zähne gründlich genug geputzt? Warum muss es bei dieser Kälte unbedingt die dünne Jacke sein? Eine oder zwei Kugeln Eis? Manchmal war das nervig. Aber vielleicht war es als Training gar nicht so schlecht. Auch in der Schule wird das Debattieren trainiert, sogar in einem eigenen Wettbewerb. Gut so.
Diskutieren Sie auch gern mit Ihren Kindern? Über welche Themen? Und wie haben die Diskussionen sich mit der Entwicklung der Kinder verändert? Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Erfahrungen schildern: familiennewsletter@.de
Meine Lesetipps
Leidenschaftlich und kontrovers diskutiert es sich am leichtesten, wenn man eine stabile Beziehung zueinander hat. Aber wie bekommt man die hin? Genau darum geht es in der neuen Ausgabe von SPIEGEL WISSEN »Tust du mir gut?« Unser Kollege Lukas Hildebrand schildert darin, wie wichtig seine Oma für ihn war , obwohl sie ganz anders dachte und lebte als er. Für die gemeinsamen Gespräche fuhr er stundenlang mit dem Zug quer durch Deutschland. Warum? Weil seine Oma interessiert an allem war und gut zuhören konnte. Falls Sie mit Ihren Beziehungen nicht immer zufrieden sind: Ein kurzes Coaching im Heft zeigt, was man selbst für die Verbesserung des Miteinanders tun kann. Das neue SPIEGEL WISSEN ist seit gestern im Handel.
So einige Beziehungen werden am Arbeitsplatz geknüpft, und ob das eine gute Idee ist, darum geht es in einem aufschlussreichen Interview mit einem Psychologen . »Ein kleiner Flirt während der Arbeit kann durchaus sehr belebend sein. Solange man sich dabei respektvoll verhält und es in der Beziehung abgesprochen worden ist«, sagt der Berliner Paarpsychologe Maximilian Popp. Ja, wenn...
Vor einiger Zeit habe ich darüber berichtet, dass die Teenager-Generation unserer Töchter sich im Old-Money-Style kleidet. Der ist inspiriert von erfolgreichen Streaming-Serien wie »Succession«. Für den Sommer aber eher passend sind die »flatternden Kleider« und »bunten Hemden« aus der Serie »The White Lotus«. Mal schauen, ob die auch bald durch unsere Wohnung flattern.
Engagieren Sie sich ehrenamtlich für Kinder und Jugendliche? Dann könnte unser Social Design Award spannend für Sie sein. Der Wettbewerb hat in diesem Jahr das Motto »Unsere Kinder, unsere Zukunft«. Hier sollen Menschen und Projekte ausgezeichnet werden, die Kinder und Jugendliche unterstützen. Zum Beispiel mit Nachhilfestunden für jene, die sich keine professionelle Unterstützung leisten können, mit Lesepatenschaften für Kinder, deren Eltern ihnen selten oder nie vorlesen. Mit gemeinsamem Gärtnern oder Abenteuercamps für Kinder, deren Eltern keinen Urlaub bezahlen können. Die Einreichungsfrist läuft bis zum 31. August 2025, zum Einreichungsformular und zu den Wettbewerbsbedingungen geht es hier.
Das jüngste Gericht
Ich schlafe sehr gern lange. Nur: Während der Schulzeit geht das nicht. Also schlurfe ich um 6.45 Uhr von Tür zu Tür und wecke unsere Töchter und anschließend mich selbst mit Kaffee – und einem Ingwershot. Ich liebe diese Mixe aus Zitronen- oder Orangensaft und Ingwersaft! Nur leider weiß ich vor Kurzem durch einen Text meines Kollegen Christopher Bonnen , dass ich mehr Ingwer zu mir nehme, als gut ist – und vor allem damit auch noch viel zu viel Zucker.
Deshalb möchte ich demnächst mal Limonade mit einem »Ginger Bug« herstellen, da kann ich die Zuckermenge nämlich selbst bestimmen. Ich vermute, das Getränk passt auch sehr gut zu flatternden White-Lotus-Kleidern.
Mein Moment
Neulich habe ich darüber geschrieben, wann es Zeit ist, den Jugendlichen selbst die Verantwortung für die Smartphonenutzung zu überlassen. Denn Initiativen wie »Smarter Start ab 14« beschäftigen sich mit der Frage, wann Kinder Smartphones bekommen sollen. Nützlich fände ich heute eine »Smarter Schluss ab 16«-Initiative. Ein Leser hat mir geschrieben, wie er die Bildschirmzeiten regelt; ich finde, das Modell klingt einleuchtend:
»Es ist doch normalerweise sehr einfach, dieses Problem anzugehen. Selbstreflexion und eine kritische Analyse unserer eigenen Smartphonenutzung helfen dabei sehr weiter. Was ist unbedingt nötig für die Schule, Hausaufgaben und Recherche? Einen Zeitplan darüber aufstellen und dann noch Zeit für private Dinge wie Freunde, Chatten und Musik hören dazugeben, dann löst sich dieses Problem von allein. Vertrauen und Liebe für die Kinder sind aber am wichtigsten.«
Herzlich,
Ihre Marianne Wellershoff
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Texts stand die ungenaue Formulierung, Arbeitseinkommen würden höher besteuert als Vermögen. Wir haben die Passage präzisiert.
Teenagerinnen (Symbolfoto): Mit dem Alter kommt die Haltung
Foto: Sarah Rimmö / plainpicture