Soll Deutschland der Ukraine Taurus-Marschflugkörper aus deutschen Bundeswehrbeständen liefern? Die Debatte ist neu aufgeflammt, nachdem jüngst CDU-Chef Friedrich Merz seine Position in dieser Frage bekräftigt hat. Deutschland solle »die ukrainische Armee mit solchen Waffen ausrüsten«, erklärte der CDU-Vorsitzende und voraussichtliche neue Kanzler jüngst in der ARD-Sendung »Caren Miosga«. Er habe aber immer gesagt, dass er das nur in Abstimmung mit den europäischen Partnern tun würde.
Die Grünen-Fraktionsvize und Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger lobt Merz für seine Position. Sie hatte sich in der Ampelkoalition gegen den Widerstand von Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) für die Lieferung von Taurus eingesetzt. Sobald Merz Kanzler sei, müsse er in dieser Frage für Klarheit sorgen und die notwendigen Vorbereitungen veranlassen, sagte Brugger dem SPIEGEL. Gerade angesichts der erneuten Gräueltaten wie beim jüngsten russischen Angriff auf Sumy und der »zynischen Täter-Opfer-Umkehr von US-Präsident Donald Trump« brauche es »ein klares Signal aus der Mitte Europas«.
Die Grüne mahnt, Merz müsse nun bei seiner Aussage bleiben. Es gehe nicht nur um die Glaubwürdigkeit Deutschlands. Merz sei in dieser zentralen Frage »seit Monaten hin und her mäandert«, habe diese Frage »auch bewusst mit seiner eigenen, bereits sehr angeschlagenen Glaubwürdigkeit verbunden«. Das »nächste Umfallen kann er sich persönlich nicht schon wieder leisten«, sagte sie.
Brugger erinnerte an frühere Äußerungen von Merz zu Taurus, die für Unklarheit gesorgt hatten. So hatte Merz Ende Februar gegenüber der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« (FAS) erklärt, die Ukraine müsse die Waffensysteme bekommen, »die sie zu ihrer Verteidigung benötigt, auch Marschflugkörper«, ohne sich jedoch auf die Waffengattung Taurus konkret festzulegen. »Ob es dann der Taurus ist oder ein anderes System, das muss man sehen und im Kreise der europäischen Verbündeten abstimmen«, sagte Merz damals der FAS.
In der aktuellen ARD-Sendung von Caren Miosga wiederum war Merz zur Überraschung von politischen Beobachtern sehr konkret geworden, was mögliche Ziele der weitreichenden und durchschlagkräftigen Taurus-Marschflugkörper angeht. Konkret nannte Merz die Kertsch-Brücke zwischen russischem Festland und der besetzten Krim als mögliches Ziel, um die Nachschublinien der Angreifer zu behindern. »Die ukrainische Armee muss aus der Defensive herauskommen«, das Land müsse in die Lage versetzt werden, »vor die Lage zu kommen«, so der Unionsfraktionschef.
Noch vor der Vereidigung der neuen Bundesregierung scheint eine mögliche Taurus-Lieferung zwischen den Koalitionären zum strittigen Thema zu werden. Der geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich nun skeptisch zu Merz’ Vorhaben, in Abstimmung mit europäischen Partnern Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu liefern. Bei einer SPD-Konferenz in Hannover, bei der er um Zustimmung zum Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD warb, widersprach er Darstellungen, dass er schon immer für eine solche Waffenhilfe gewesen sei: »Ich habe das nie gesagt.« Für die Lieferung von Taurus gebe es zwar gute Argumente, es gebe aber auch »viele Argumente, gute Argumente dagegen«. Nur einen Teil davon könne man öffentlich diskutieren.
Unterdessen meldete sich auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul in der Taurus-Debatte zu Wort. »Ich glaube nicht, dass die SPD-Zustimmung ein ›Knackpunkt‹ ist«, sagte er der Mediengruppe Bayern. Man werde vielmehr »zu einer gemeinsamen Position und Entscheidung kommen, die dann auch von allen getragen wird«, so der schleswig-holsteinische Politiker, der als künftiger Außenminister gehandelt wird.
Grünenabgeordnete Brugger
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