Ein Hase, der Eier legt? Der Mensch hat sich schon immer reichlich abstruses Zeug ausgedacht. Dass die Welt von einer Schildkröte getragen wird, etwa, oder dass Katzen Götter sind. Glaubensvorstellungen wie diese zeugen von Einfallsreichtum und Erfindergeist – und wer schon mal versucht hat, eine Katze zu erziehen, weiß: Da könnte was dran sein.
Fantasie und Kreativität sind auch zwei Eigenschaften, die ich meiner Tochter vermitteln möchte. Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit stehen jedoch genauso auf dem Lehrplan. Ein Kind in die Kultur und Gesellschaft einzuführen, es mit Traditionen vertraut zu machen, gehört ebenfalls zu den Erziehungsaufgaben.
Lassen wir den Osterhasen also diesen Sonntag auftreten, oder hoppelt der mysteriöse Eierkurier an unserem Haus vorbei? Natürlich werden wir unserer zweijährigen Tochter den Spaß nicht nehmen, wie Millionen andere Kinder in Deutschland am Ostersonntag nach einem Osternest zu suchen. Auch wir Eltern wollen dieses Vergnügen erleben.
Nebenbei kurbeln wir die Wirtschaft an – die heimische Süßwarenindustrie will in diesem Jahr 240 Millionen Schokohasen verkaufen. Am Ende dieser zuckersüßen Verschwörung stehen lauter Gewinner: der Osterhase, an den nun ein weiteres Kind glaubt; ein Kind, das um eine Erzählung reicher ist; zwei Erwachsene, die sich mit ihrem Nachwuchs freuen; und der Finanzminister.
Dennoch beschäftigt mich das Thema: Im Grunde belügen wir unser Kind. Dabei gehört Vertrauen zu den wichtigsten Bausteinen einer Familie. Fake News sollten nicht von den Eltern kommen. Das ist, als würde ein Hase Eier legen. Mama und Papa müssen glaubwürdig sein, sonst leiden alle Beteiligten.
Klar, gelogen wird in den besten Familien. Es passiert schneller und öfter, als einem lieb sein kann. Hier geht es aber nicht um eine Notlüge (noch solch ein interessantes Konzept von uns Erwachsenen). Außerdem ist absehbar, dass die Wahrheit früher oder später aus dem Ei schlüpft. Dann droht eine Enttäuschung.
Andererseits sagen Experten, der Glaube an Fantasiewesen fördere das Denkvermögen von Kindern. Er stärkt ihre Vorstellungskraft und kann dazu ermutigen, über Dinge nachzudenken, die in der realen Welt unmöglich erscheinen. Wenn Kinder später anfangen zu zweifeln, sollten Eltern sie allerdings ermuntern, die Dinge zu hinterfragen.
Ich freue mich jedenfalls auf Ostern – und auf die unvermeidliche Frage, warum gerade ein Hase zum Eierlieferanten wurde und wieso das restliche Jahr die Hühner die Produktion übernehmen. Das spannende Thema, weshalb ein angeblich liebender Übervater seinen einzigen Sohn opfert, um einen Punkt zu machen, sparen wir uns für ein späteres Jahr auf.
Wie war das bei Ihnen, wann und wie hat Ihr Nachwuchs herausgefunden, was es mit dem Osterhasen auf sich hat? Schreiben Sie mir an: familiennewsletter@.de .
Meine Lesetipps
Schon Kitakinder wünschen sich eine beste Freundin oder einen besten Freund. Und das ist auch gut so, denn sie machen, das ist wissenschaftlich belegt, glücklich. Wie eine Sandkastenfreundschaft ein Leben lang hält, lesen Sie hier .
Anfangs fällt es Eltern oft schwer, ihr Kind in der Kita abzugeben. Manchmal aber verschwindet dieses ungute Gefühl nicht mehr: Geht es meinem Kind dort gut? Eine Expertin erklärt, worauf Sie achten sollten .
Es ist Ostern. Das bedeutet, die Fastenzeit ist zu Ende – und in meinem Fall, dass ich wieder Alkohol trinken werde. Wenn Sie die vergangenen Wochen ebenfalls verzichtet haben, freuen Sie sich vielleicht über fünf Weine zwischen 15 und 25 Euro, die sich lohnen .
Ein gut gelaunter Vanillepudding mit einigen Umdrehungen
Apropos Abstinenz: Zu viele Eier für Ostern gekauft? Daraus machen wir Eierlikör mit frischer Vanille und weißem Rum. Gut gekühlt hält sich dieses Dessert zum Trinken einige Wochen und peppt jede Kaffeerunde auf. Zum Rezept hier lang, bitte .
Mein Buchtipp
Zu Ostern gibt es viel mehr zu entdecken als bunte Eier. »Das kleine Buch der Osterbräuche« von Patrick Wittmann beleuchtet bekannte und vergessene Osterbräuche aus Deutschland und der Welt. Es erklärt, wie der Termin des Osterfests bestimmt wird, woher der Name »Ostern« stammt und warum Ostergottesdienste früher oft heiter waren. Auch die Entwicklung des Eierfärbens und -versteckens wird beleuchtet. Zudem stellt das Buch die tierischen Vorgänger des Osterhasen vor und erklärt, wie fliegende Glocken in Rom mit Palmeseln und Osterratschen zusammenhängen.
Mein Moment
In meiner vergangenen Ausgabe dieses Newsletters ging es um Pflicht und Verantwortung sowie das interessante Wörtchen »müssen«.
Dazu schrieb mir Ralph Ernst: »Vielleicht kann man sich auch bei anderen Sprachen bedienen. Im Englischen ist das Wort ›must‹ verpönt, man verwendet zumeist das weniger hart klingende ›shall‹, wie in: Ich sollte jetzt zum Beispiel wieder arbeiten :-)«
Herzlich
Ihr Philipp Löwe
Ei, wer kommt denn da? Der mysteriöse Eierkurier im Dienste der Fantasie.
Foto:Maryna Terletska / Getty Images
Selbst gemachter Eierlikör
Foto: Helga Lugert / I LOVE FOOD