Union und SPD haben sich knapp zwei Wochen nach der Bundestagswahl auf ein gemeinsames Sondierungspapier geeinigt. Das haben die Spitzen beider Parteien am Samstag in Berlin verkündet.
Das elfseitige Papier dient als Grundlage für nun folgende Koalitionsverhandlungen und handelt viele Themenfelder ab. Während es an zahlreichen Stellen noch vage bleibt, finden sich an anderen Punkten bereits konkrete Ziele und Maßnahmen.
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Migration
Vor allem Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) sprachen bei der gemeinsamen Pressekonferenz lange über das Thema Migration. Auch Aspekte aus dem von Merz im Wahlkampf verkündeten Fünfpunkteplan finden sich im Sondierungspapier wieder:
Menschen, die ein Asylgesuch stellen, sollen künftig an den Landesgrenzen zurückgewiesen werden. Dies soll in Abstimmung mit den europäischen Nachbarländern geschehen.
Das von der Ampelkoalition reformierte Staatsangehörigkeitsrecht soll weiter Bestand haben. Die verkürzten Wartefristen für eine Einbürgerung und der Doppelpass für Nicht-EU-Bürger sollen bleiben.
Es soll verfassungsrechtlich geprüft werden, ob Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden kann.
Für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte soll der Familiennachzug befristet ausgesetzt werden. Freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes, über die etwa Menschen aus Afghanistan nach Deutschland kommen können, sollen beendet werden, kündigte Söder an.
Es soll mehr Investitionen in Integration geben, etwa bei Integrationskursen und durch eine Ausweitung des Startchancen-Programms auf Kitas.
Das Ziel der »Begrenzung« der Migration soll wieder in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden.
Schuldenbremse
Bereits am Dienstag hatten sich Union und SPD auf ein umfangreiches Finanzpaket verständigt. Dieses sieht neben weitreichenden Ausnahmen von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben auch ein neues Sondervermögen im Umfang von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur vor. (Lesen Sie hier eine SPIEGEL-Analyse zu dem Plan. )
Verteidigung
Die innere und äußere Verteidigungsfähigkeit Deutschlands haben die Spitzen von Union und SPD zu einem zentralen Ziel im Falle einer gemeinsamen Regierung erklärt. »Der Schutz unserer Freiheit ist unverzichtbar«, heißt es im Sondierungspapier. Und außerdem: »Deutschland steht weiter an der Seite der Ukraine.« Die wichtigsten verteidigungspolitischen Ankündigungen:
Die Mittel aus dem von der Ampel beschlossenen Sondervermögen für die Bundeswehr sollen zügig ausgegeben werden.
Im ersten halben Jahr nach der Regierungsbildung soll »ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr« vorgelegt werden. Eine Prioritätenliste soll vorgeben, welche Rüstungsgegenstände besonders schnell beschafft werden.
Die Verteidigungsausgaben sollen ab einer Höhe von mehr als einem Prozent der Wirtschaftsleistung nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. So soll verhindert werden, dass erhöhte Verteidigungskosten Ausgaben in anderen Bereichen einschränken.
Steuerreform
Ohne viele Details zu nennen, haben Union und SPD eine Entlastung der »breiten Mittelschicht« durch verschiedene steuerliche Maßnahmen angekündigt:
Reform der Einkommensteuer
Erhöhung der Pendlerpauschale
Senkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf sieben Prozent
Halbierung der Übertragungsnetzentgelte
Senkung der Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert, um den Strompreis um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde zu senken.
Bürgergeld
Union und SPD wollen das bisherige Bürgergeldsystem verändern und es durch eine neue Grundsicherung ersetzen. »Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen«, sagte CDU-Chef Friedrich Merz.
Lars Klingbeil, Co-Vorsitzender der SPD, sagte, wer sich komplett verweigere, könne nicht auf die gleiche Unterstützung wie andere setzen.
Daneben soll es weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen geben:
Statt einer täglichen soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz festgelegt werden.
Überstundenzuschläge sollen steuerfrei werden, wenn die Arbeitszeit über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehe.
Verkehr
Um die schleppende Nachfrage nach Elektroautos anzukurbeln, planen Union und SPD wieder »einen Kaufanreiz«, heißt es im Sondierungspapier. Genauere Angaben werden nicht gemacht.
Das Deutschlandticket für Busse und Bahnen soll in den Koalitionsverhandlungen auf den Tisch kommen. Dort wolle man über »die Fortsetzung« über das Jahresende hinaus beraten, heißt es.
Das von der Ampelkoalition beschlossene Aus für Agrardiesel-Vergünstigungen für Bauern soll gekippt werden.
Rente
Wer in der Rente noch freiwillig weiterarbeitet, soll bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen können.
Die sogenannte Mütterrente soll ausgeweitet werden: Auch für vor 1992 geborene Kinder sollen drei statt wie bisher maximal zweieinhalb Erziehungsjahre bei der Rente angerechnet werden.
Im Sondierungspapier finden sich noch zahlreiche weitere Ankündigungen, etwa »eine große Pflegereform« oder das Ziel, dass in Deutschland der erste Fusionsreaktor der Welt entstehen soll. Das gesamte Sondierungspapier können Sie hier herunterladen:
Das gemeinsame Sondierungspapier ist die Grundlage für die wohl in der kommenden Woche beginnenden Koalitionsverhandlungen, sagte Friedrich Merz am Samstag in Berlin. Sollten sich Union und SPD einigen, dürfte er eine entsprechende Koalition als Kanzler anführen. (Lesen Sie hier mehr darüber, wie es nun weitergeht.)
Parteispitzen nach dem Ende der Pressekonferenz: Koalitionsverhandlungen in der kommenden Woche
Foto: Clemens Bilan / EPA