Das Krankenhaus für die Päpste bleibt gleich, die Zeiten ändern sich
An diesem Freitag liegt Papst Franziskus genau zwei Wochen in der Gemelli-Klinik im Nordwesten von Rom. Möglicherweise geben seine Ärzte heute eine Pressekonferenz. Franziskus ist an einer beidseitigen Lungenentzündung erkrankt.
Noch gebe es keine Entwarnung, aber der Zustand des Patienten verbessere sich leicht, ließen sie gestern wissen. Täglich berichten sie, wie es dem Papst geht.
Diese Meldungen scheinen aus einer alten Welt zu stammen, aus einer nämlich, in der ein Papst eine Figur ist, um die diese Welt sich dreht. Doch wie haben sich die Zeiten verändert, seit Johannes Paul II., der Vorvorgänger von Franziskus, immer mal wieder in dieser Klinik lag.
Johannes Paul umgab eine überirdische Aura, auf die Franziskus bewusst verzichtet. Er will zu den normalen Leuten gehören, von Prunk absehen, es ist sein politisches Programm, das in einer Theologie der Armut wurzelt. Insofern passen auch die Bilder der schäbigen Krankenhausfassade, die in diesen Tagen immer wieder gezeigt werden, in dieses Programm.
Es ist sympathisch und scheint zunächst auch richtig, diesen Weg in heutiger Zeit einzuschlagen. Doch dieser Papst, der nicht geheimnisvoll sein will, sondern echt, gibt sich auch an Stellen echt, an denen es seinem Amt abträglich ist. Franziskus äußert sich oft – viel zu oft – und ständig schwankend: Mal heißt es, er halte den Zölibat für revidierbar, dann wieder hält er daran fest.
So wurde er eben doch nicht zu dem Reformer, als der er 2013 angetreten ist, und so erweist sich sein Kurs als letztlich riskant: Er nimmt dem Papsttum absichtlich die Aura und macht es dadurch – zwar noch nicht ganz, aber doch fast – zu einer beliebigen Größe.
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Früher ging es um Werte, heute um den Deal
Sie machen es spannend. Nach Angaben von US-Präsident Donald Trump wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj heute in Washington ein Rohstoffabkommen unterzeichnen. Die USA würden dann auf seltene Erden in der Ukraine zugreifen können, sagte Trump bei einem Kabinettstreffen im Weißen Haus.
Selenskyj aber bremste die Erwartungen und sagte, es gehe nur um ein Rahmenabkommen.
Der heutige Tag wird mehr Klarheit bringen. Eines aber steht jetzt schon fest. War es vor Kurzem bei der Verteidigung der Ukraine gegen den Aggressor aus Russland noch um Werte gegangen, um Freiheit, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit, Beistand, Freundschaft, geht es nun um Bodenschätze, um »Deals«, um mit Trumps Lieblingswort zu sprechen.
Es werden, wie auch immer, harte Stunden für Selenskyj.
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Ein Gewinn für Deutschland?
Nun läuft diese innen- und außenpolitisch ereignisreiche Woche langsam ab. Mich beschäftigt immer noch ein Satz, den FDP-Chef Christian Lindner am Sonntag sagte, als sich die Niederlage seiner Partei bei der Wahl bereits abzeichnete. Einen Kommentar dazu habe ich mir bisher verkniffen. Lindner hat sich als guter Verlierer der Wahl erwiesen, er übernimmt die Verantwortung für die Niederlage, wird sich aus der Politik zurückziehen, seine Partei liegt am Boden, da sollte Kritik auch mal pausieren.
Nun habe ich viele Analysen zur Wahl und ihren Folgen gelesen und gehört. Das gibt mir die Möglichkeit, doch noch auf den Satz von Lindner zurückzukommen.
Er hatte am Sonntagabend gesagt, das Ergebnis sei »eine schwere Niederlage für die FDP, aber hoffentlich ein Gewinn für Deutschland«. Er meinte damit wohl, dass die durch ihn herbeigeführten Wahlen dem Land eine neue Regierung und einen besseren Zustand ermöglichen würden.
Ich fand diesen Satz schwierig. Als er ihn sagte, war bereits klar, wie stark die AfD im neuen Bundestag sein und wie zahlenmäßig schwach ein mutmaßlich neuer Bundeskanzler Friedrich Merz dastehen würde. Darin einen Gewinn zu sehen und sich selbst indirekt als den Ermöglicher darzustellen – musste das sein?
Nun aber lässt sich sagen, dass Lindners obstruktives Verhalten, das den Ampelbruch herbeigeführt hat, tatsächlich etwas bewirkt hat. Unzählige Male las und hörte ich den Wunsch, dass sich so etwas bitte in einer neuen Regierung nicht wiederholen möge. CSU-Chef Markus Söder geht sogar so weit, eine neue Regierung als »letzte Patrone der Demokratie« zu bezeichnen.
Dass die Lage zu ernst ist für irgendwelche Spielchen, da scheinen sich die Demokraten also einig zu sein. Der Preis war hoch, um zu dieser Einsicht zu gelangen, aber dass sie nun da ist, könnte tatsächlich ein Gewinn sein.
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Deutschland braucht eine neue atomare Abschreckung: Auf die USA unter Donald Trump ist kein Verlass mehr. Deutsche und Europäer müssen sich mit eigenen Atomwaffen schützen .
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Verliererin des Tages…
…ist die Wortschöpfung GroKo. Obwohl heute die Sondierungen für eine mögliche Koalition von Union und SPD beginnen, zieht sich das Wort, das früher diesen Regierungsverbund immer beschrieben hat und 2013 sogar zum Wort des Jahres gekürt wurde, immer mehr zurück. Das liegt wohl daran, dass Union und SPD bei der Wahl so enttäuschend abgeschnitten haben, dass eine Neuauflage ihrer Koalition zahlenmäßig nicht besonders groß wäre.
Die »Zeit« schreibt schon von einer »Noko«, einer Notkoalition, aber so hoffnungslos sollten wir die Sache nicht angehen. Wenn sich das nüchterne »Schwarz-Rot« als Beschreibung durchsetzen sollte – auch gut.
Darüber lässt sich nicht so leicht scherzen, und das wäre in diesem Fall ein Vorteil. Die Ampel-Witze waren zuletzt so schlapp wie die Regierung selbst.
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Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Mexiko liefert mächtige Drogenbosse an die USA aus: Ab 4. März will Donald Trump Strafzölle gegen Mexiko verhängen. Er begründet das mit dem Drogenschmuggel in die USA. Nun überstellte das Nachbarland 29 Kriminelle – darunter offenbar den »Boss der Bosse«.
Christian Lindner geht juristisch gegen »Titanic«-Titelseite vor: Die »Titanic« machte sich über Christian Lindner und Franca Lehfeldt lustig. Unter anderem mit einem falschen Ultraschallbild. Der Ex-Finanzminister hat nun rechtliche Schritte eingeleitet. Die Satirezeitschrift freut es.
Hamburger CDU und Grüne schließen Zusammenarbeit aus: Am Sonntag wird schon wieder gewählt, diesmal in Hamburg. Anders als im Bund hat die SPD in der Hansestadt gute Chancen, gemeinsam mit den Grünen weiterzuregieren – trotz drohender, deutlicher Verluste.
Heute bei SPIEGEL Extra: Ein zerrissener Verein
Vor 20 Jahren rettete Hans-Joachim Watzke den BVB vor dem Kollaps. Heute steckt der Verein in einer schweren Identitätskrise. Ist die innere Zerrissenheit des Vereins systembedingt – oder Watzkes Schuld?
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihre Susanne Beyer, Autorin der Chefredaktion
Gemelli-Klinik in Rom: Die schäbige Fassade passt zum theologischen Programm
Foto: Alessia Giuliani / Catholicpressphoto / IMAGOVerhandler Selenskyj, Trump (2024): Harte Stunden
Foto: Shannon Stapleton / REUTERSFDP-Chef Christian Lindner: Kein Heiligenschein
Foto: John MacDougall / AFPStrandspaziergang auf Usedom mit symbolischen Regenschirmfarben: »Schwarz-Rot« ist auch ein guter Begriff
Foto: Stefan Sauer / picture alliance / dpaIllustration: Daniel Ludwig / 11FREUNDE; Fotos: IMAGO (1)