1. Nervöser Präsident
Dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gern Leute verklagt, die ihn angeblich beleidigt haben, wissen wir spätestens seit 2016, als es den TV-Moderator Jan Böhmermann traf. Nun hat er wieder Strafanzeige wegen Beleidigung erstattet, und zwar gegen den Chef der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Özgür Özel (lesen Sie hier mehr dazu).
Özel hatte bei einem CHP-Parteitag am Sonntag gesagt, die Türkei werde von einer »Junta« regiert, »die Angst hat vor Wahlen, Angst vor ihren Gegnern und Angst vor der Nation«. Erdoğan sieht das naturgemäß anders. Er soll an einem Zivilgericht zusätzlich eine Klage auf Schadensersatz eingereicht haben.
Die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu Mitte März hat massive Proteste ausgelöst – mit spürbaren Folgen auch für die Wirtschaft. Die ohnehin angespannte Lage hat sich durch die landesweiten Demonstrationen weiter verschärft. Die türkische Lira hat stark an Wert verloren, die Inflation könnte wieder anziehen. Mein Kollege Udo Trichtl hat mit dem Ökonomen Erdal Yalçin darüber gesprochen, was das für die Bevölkerung bedeutet. Yalçin zufolge leiden rund 60 Prozent der Menschen unter den drastischen Preissteigerungen. Er hat Udo auch erklärt, warum Europa »interessengeleitet« handelt und sich mit Kritik zurückhält.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: »60 Prozent der Bevölkerung leiden unter den drastischen Preissteigerungen«
2. Nervöse Arbeitgeber
Obwohl viele Unternehmen in Deutschland händeringend nach Auszubildenden suchen, stehen jedes Jahr 250.000 junge Menschen mit Schulabschluss, aber ohne Ausbildungsplatz da. Offenbar passt das, was Jugendliche in der Schule lernen, nicht mehr so gut zu dem, was in der modernen Arbeitswelt gebraucht wird.
Die sogenannte Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), die die Kultusministerkonferenz berät, hat deshalb jetzt ein Gutachten vorgestellt, in dem sie analysiert, was sich ändern müsste. Ein wichtiger Punkt: In der Schule wird laut SWK zu viel »totes Wissen« generiert, das heißt, Schülerinnen und Schüler lernen Fakten und isolierte Fertigkeiten, können das Erlernte aber nicht auf Situationen in der realen Welt übertragen. Dreisatzrechnung zum Beispiel: Ist Pflicht auf dem Mathelehrplan, trotzdem beschweren sich Ausbildungsbetriebe immer wieder, ihre Auszubildenden beherrschten den Dreisatz nicht. Laut SWK stimmt das so nicht, viele Jugendliche könnten rechnen, allerdings nur, wenn die Situation exakt genauso aussehe wie im Mathebuch. Die Forschenden raten zu mehr »Wissen in Gebrauch«, wie sie es nennen, damit die Schülerinnen und Schüler besser auf die gestiegenen Anforderungen in der Arbeitswelt vorbereitet werden.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Der Dreisatz muss sitzen
3. Nervöse Märkte
In den morgendlichen Redaktionskonferenzen fällt dieser Tage gern mal der Satz: »Mal sehen, was Trump macht, wenn er aufsteht.« Es ist der Zeitverschiebung geschuldet, dass ich Ihnen davon noch nichts berichten kann. Allerdings wurde heute bekannt, dass US-Kunden sich mit Apple-Geräten eindecken, weil sie fürchten, dass iPhones und iPads durch die hohen Zölle, die Trump gegen China verhängt hat, deutlich teurer werden (hier mehr dazu). Experten rechnen mit Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent. Gleichzeitig soll Apple selbst angeblich eilig Nachschub aus Ländern wie Indien einfliegen und Neuware hamstern.
Wie nervös die Märkte sind, Anleger wie Konzerne, zeigt auch eine andere Episode. Denn als es gestern kurzzeitig hieß, Trump könnte die Zölle 90 Tage lang aussetzen, sorgte das an der Wall Street in kürzester Zeit für einen 2,4-Billionen-Dollar-Sprung (und nein, kein Übersetzungsfehler, eine Zahl mit zwölf Nullen). Nach etwa einer halben Stunde war klar: Es handelte sich um eine Falschmeldung. Mein Kollege Malte Göbel hat hier versucht, zu rekonstruieren, wie es zu der Ente kam.
Derweil hat sich der Dax heute zumindest ein wenig erholt. Er startete mit leichten Gewinnen in den Handel, der Kurs stieg im Laufe des Tages weiter an (hier mehr).
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Wie eine falsche Schlagzeile binnen Minuten Billionenwerte an den Börsen verschob
Was heute sonst noch wichtig ist
Mittlerer Jahresverdienst steigt über 52.000 Euro brutto: Der Verdienst von Vollzeitbeschäftigten ist im vergangenen Jahr spürbar gestiegen – zum Teil konnte sogar die Inflation der Vorjahre ausgeglichen werden. Das Geld ist aber sehr ungleich verteilt.
Forscher erschaffen ausgestorbenen Schattenwolf, zumindest teilweise: Die Art wurde durch »Game of Thrones« bekannt, starb aber vor 13.000 Jahren aus. Eine US-Firma hat nun Jungtiere gezüchtet, die wie der »Dire Wolf« aus der Serie ein dichtes weißes Fell besitzen.
Preise für Führerscheine steigen erneut stark: Fahrstunden und Führerscheinprüfungen sind 2024 deutlich teurer geworden. Dabei lag der Preisschub über der allgemeinen Inflation. Seit 2020 haben sich die Kostensteigerungen massiv aufaddiert.
Selenskyj meldet Festnahme zweier chinesischer Soldaten in Ostukraine: In der Ukraine sind nach offiziellen Angaben zwei chinesische Staatsbürger festgenommen worden. Sie kämpften offenbar für die russische Armee. Präsident Selenskyj fordert eine Erklärung aus Peking und eine Reaktion seiner Verbündeten.
Meine Lieblingsgeschichte heute:
Neulich wurde mir auf Instagram Werbung für ein neu eröffnetes Barre-Studio in den Feed gespült. Ich sah lange Frauenbeine, eine Stange – alles erinnerte an eine Ballettstunde. Tatsächlich ist das Barre-Work-out mit Ballett verwandt, es enthält Yoga- wie Pilates-Elemente. Meine Kollegin Anne Paulsen hat Barre ausprobiert – und erklärt, warum es durchaus fragwürdig ist, wenn Studios versprechen, die Methode verhelfe auch zu besserem Sex .
Was heute weniger wichtig ist
Attacke: Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson, 60, wurde während seines Urlaubs von einem Strauß angegriffen. Filmaufnahmen zeigen ihn mit seiner Familie in einem Safaripark im US-Staat Texas. Man sieht, wie der Ex-Premier am Steuer eines Autos sitzt, als sich der große Vogel nähert und durch das heruntergefahrene Fenster nach Johnson schnappt. Seine Ehefrau Carrie Johnson teilte das Video in den sozialen Netzwerken und schrieb: »Das ist zu lustig, um es nicht zu veröffentlichen.«
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Könnten Sie sich den neuen Podcast von Sophie Passmann anhören, er heißt, ganz simpel: »Der SOPHIE PASSMANN Podcast«. Darin geht es um allerlei, was die Podcasterin, Moderatorin und Autorin Passmann gerade so interessiert. Das Besondere daran ist, dass Passmann weder Sidekick noch Gäste hat. Sie bestreitet jede Episode allein. »Ein so breitbeiniger Auftritt ist purer Willen zur Wichtigkeit, behutsam abgefedert durch Ironie«, schreibt mein Kollege Arno Frank , »wie eine einstündige Sprachnachricht von Sophie Passmann.«
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Laura Backes, Autorin
Türkischer Präsident Erdoğan
Foto: Khalil Hamra / AP / dpaAusbildung in der Automobilbranche
Foto: AFPSchock an der Wall Street
Foto: Michael Nagle / Bloomberg / Getty ImagesAus der »WP am Sonntag«
Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Thomas Plaßmann
Passmann-Podcast
Foto: Der Sophie Passmann Podcast / RTL+