Das Blümchen blüht noch

Vinzenz Geiger war sehr klar in seinen Gedanken: „Norwegen ist der Favorit auf Gold. Es wäre schön, wenn wir sie ärgern könnten“, sagte der zweimalige Olympiasieger vom SC 06 Oberstdorf nach dem Skispringen und vor dem Start in die Loipe im Mixed-Wettbewerb. Mit dem ersten Satz hatte der 27-jährige Nordische Kombinierer recht. Doch der zweite Satz blieb eine Illusion. Denn die Gastgeber um Jarl Magnus Riiber liefen bei ihrer Heim-WM in Trondheim allen auf und davon. Am Ende kamen sie in 36 Minuten und 37 Sekunden ins Ziel – und hatten in dieser kurzen Zeit immerhin eine Minute und 16 Sekunden Vorsprung auf die Zweitplatzierten herausgeholt. Das Schöne für Geiger, Julian Schmid, Jenny Nowak und Nathalie Armbruster: Das deutsche Quartett gewann ebendiese Silbermedaille, wie schon bei der WM-Premiere dieses Wettbewerbs vor zwei Jahren in Planica, damals hatte ebenfalls Norwegen gewonnen. Bronze ging diesmal erneut an Österreich.

Geiger sah später einen „super Start, da fällt schon mal Druck ab“. Und auch Nathalie Armbruster, die am Donnerstag im Massenstart der Frauen noch eine Medaille verpasst hatte, freute sich eher über den zweiten Platz, als dass sie sich über verpasstes Gold ärgerte: „Wir waren uns relativ einig, dass es vor allem darum geht, Silber abzusichern“, sagte die 19 Jahre alte Schwarzwälderin: „Es war heute ein richtig, richtig cooler Tag. Die Silbermedaille ist mehr als verdient.“

Nordische Ski-WM
: Silber für Freitag, mehr Geld für alle

Um die Wertschätzung des Frauenskispringens hat sich Selina Freitag, 23, schon länger verdient gemacht. In Trondheim krönt sie ihre bisherige Laufbahn nun mit einer WM-Medaille.

Von Sebastian Winter

Zu dominant waren die norwegischen Kombiniererinnen gesprungen, zu überlegen auf der Loipe gelaufen. Ein mögliches Schlussduell zwischen Geiger und Riiber gab es schlicht nicht. Auch, weil Armbruster und Nowak beim Springen jeweils ein paar Meter zu früh landeten. „Man muss da auch ganz nah hinspringen an die Norweger, wenn man Gold gewinnen will“, fand Julian Schmid, der von „nicht ganz einfachen Bedingungen mit ziemlich viel Wind“ beim Springen sprach. Von Platz drei aus ging das DSV-Quartett in die Langlauf-Staffel, schon da hatte es 28 Sekunden Rückstand auf Norwegen. Die Japaner, die mit 14 Sekunden Vorsprung auf Geiger und Co. in die Loipe gingen, wurden von ihnen bald eingeholt.

Dass die DSV-Mannschaft nun zu Silber lief, dürfte auch einem besonderen Umstand zu verdanken sein: Die Frauen und Männer, die üblicherweise getrennte Wege im Training gehen, üben und reisen seit dem Weltcup in Lillehammer vor Weihnachten fast ständig zusammen, samt gemeinsamem Service- und Technikteam. „Um Synergien zu haben, aber auch, damit die Athletinnen und Athleten zusammenwachsen“, sagt Bundestrainer Eric Frenzel: „Das war ein zartes Blümchen und ist jetzt zu einer Mannschaft zusammengewachsen.“

„Ich habe große Sorge um unseren Sport. Gerade als junge Sportlerin macht man sich seine Gedanken.“

Die Frage für die Zukunft ist, wie stark dieses Blümchen auch in Zukunft gegossen werden darf. Denn die Nordische Kombination hat vor allem bei Olympischen Winterspielen keine große Lobby mehr, die Frauen waren noch nie dabei, 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo sind sie es auch nicht. Für 2030 in Frankreich kämpfen sie um die Aufnahme. Zugleich gibt es Bestrebungen, die dritte nordische Sportart (neben Langlauf und Skispringen) 2030 komplett aus dem olympischen Programm zu nehmen, also auch die Männer. Eine Argumentation des IOC: bei dem Format würden sich immer dieselben Nationen die Medaillen aufteilen, die Spannung leide.

Wenn man dieser Begründung folgt, war der Mixed-Wettbewerb in Trondheim nun Wasser auf die Mühlen der Funktionäre: Mal wieder standen Norwegen, Deutschland und Österreich auf dem Treppchen, mit mäßigem Spannungsbogen. Zugleich sagt Geiger: „Natürlich sind bei uns die drei Nationen dominierend, aber das gibt es in vielen anderen Sportarten auch.“

Es geht um viel in dieser Debatte, um Fördergelder, Trainer- und Kaderstellen, die Ausbildung von Jugendlichen, die wenig motiviert sein dürften, wenn sie nicht mal mehr die Aussicht haben, an Olympischen Spielen teilnehmen zu dürfen. Letztlich geht es um das Überleben einer ganzen Sportart. Um es mit den Worten von Nathalie Armbruster zu sagen: „Ich habe große Sorge um unseren Sport. Gerade als junge Sportlerin macht man sich seine Gedanken. Das ist meine Leidenschaft, mein Beruf, und ich möchte ihn eigentlich auch noch eine Weile ausüben.“

In Trondheim wird es vor diesem Hintergrund viele Treffen zu dem Thema geben. Auch der DSV wird versuchen, weitere Überzeugungsarbeit bei IOC-Vertretern zu leisten. Aber erstmal darf sich noch ein wenig gefreut werden, über WM-Silber im Mixed.

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