Der bitterste Abstieg in 90 Jahren Klubgeschichte

Die vorerst letzten zehn Minuten der Düsseldorfer EG in der Deutschen Eishockey-Liga am Freitagabend waren mit das Skurrilste, was dieser Verein in seiner 90-jährigen Historie erlebt hat. Nach der Schlusssirene eines 3:0-Sieges gegen Wolfsburg am finalen 52. Spieltag saßen und standen die Düsseldorfer Spieler an der Bande und blickten bang auf den Videowürfel unter dem Hallendach. Darauf wurden live die letzten fünf Spielminuten der Parallelpartie zwischen Iserlohn und Augsburg gezeigt. Mehrere tausend Zuschauer in der Düsseldorfer Halle skandierten lautstark: „Iserlohn, Iserlohn!“

Augsburg führte in Iserlohn kurz vor Schluss 3:2. Damit Düsseldorf nicht Letzter wird, durfte Augsburg nicht in der regulären Spielzeit gewinnen. Doch der Ausgleich wollte Iserlohn nicht mehr gelingen. Am Ende der Hauptrunde war die Düsseldorfer EG somit Tabellenletzter und ist nun offiziell der sportliche Absteiger. Sollte die Playoffs der zweiten Liga eines jener fünf Teams gewinnen, die sich für eine DEL-Lizenz beworben haben, dann wird die Düsseldorfer EG Ende April als Absteiger in die DEL2 feststehen. Es gibt kaum Zweifel, dass es so kommt.

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Von Johannes Schnitzler

Es wäre das dritte Mal, dass die Düsseldorfer EG aus der ersten Liga in die zweite hinunter muss. 1959 stieg der Klub aus der neugegründeten Bundesliga ab und 1998 musste er von sich aus den Gang aus der DEL in die zweite Liga antreten, weil er völlig überschuldet war. Dieser dritte Abstieg jetzt, finden viele Beobachter, wäre extrem unnötig. Düsseldorfs norwegischer Torwart Henrik Haukeland sagte: „Wir hatten ganz sicher nicht das schlechteste Team dieser Liga – aber wir haben am schlechtesten gespielt.“ Zum Düsseldorfer Kader gehörten etwa die ehemaligen deutschen Nationalspieler Philipp Gogulla, 37, Thorsten Ankert, 36, Sinan Akdag, 35, Bernhard Ebner, 34, und Laurin Braun, 34, sowie die aktuellen deutschen Nationalspieler Alexander Ehl, 25, und Alexander Blank, 23.

Als der letzte Platz feststand und jeder der knapp 12 000 Zuschauer im Düsseldorfer Dome wusste, dass dies den Abstieg bedeuten dürfte, trat der DEG-Pressesprecher Frieder Feldmann aufs Eis und sagte in ein Mikrofon: „Die Saison war ein Desaster und wir wollen uns bei allen entschuldigen.“ Die Fans pfiffen schrill. Feldmann ist seit vielen Jahren im Klub und eigentlich ein Sympathieträger, die Pfiffe dürften eher dem geschäftsführenden Gesellschafter Harald Wirtz gegolten haben, der sich mit schroffer Kritik konfrontiert sieht, sowie dem Sportdirektor Niki Mondt, über den die Fans riefen: „Mondt muss raus!“ Weder Wirtz noch Mondt zeigten sich dem Publikum. Der Trainer Steven Reinprecht sagte in der Pressekonferenz kühl: „Ich akzeptiere meinen Anteil am Abstieg.“

Torwart Haukeland kritisiert den Klubbesitzer deutlich

„Wir haben in dieser Saison insgesamt zu schlecht und zu inkonstant gespielt“, sagte der Sportchef Mondt im Kabinengang. „Der Abstieg ist noch nicht amtlich, aber fünf der besten sechs Teams der zweiten Liga sind aufstiegsberechtigt; ich halte Kassel für den Topfavoriten, danach kommen Krefeld, Dresden und Ravensburg (die als einziger Klub nicht aufsteigen wollen, Anm.), unsere Chancen stehen bestenfalls bei 25 Prozent, aber für mich ist das jetzt gefühlt der Abstieg.“

Die deutlichsten Worte fand kurz nach dem Spiel der Torwart Haukeland, 30, der seine dritte Saison in Düsseldorf gespielt hat. „Schon vor einem Jahr habe ich gesagt, der Klub braucht Veränderungen, aber damals hat das in der Führungsetage nichts ausgelöst“, sagte er nun. Er kritisierte, dass der Klub vor der Saison kein Geld in die Hand genommen habe. Erst im Dezember habe man Spieler nachverpflichtet. Im Kabinengang sagte Haukeland in erstaunlich ruhigem Ton in die Aufnahmegeräte der Journalisten: „Mir ist egal, ob das, was ich jetzt sage, Konsequenzen für mich hat, aber ich sage: Wenn du kein Geld hast und wenn du gar kein professionelles Sportteam haben willst, jedenfalls keines in der ersten Liga, dann solltest du das im Sommer sagen, oder noch besser: dann werde erst gar kein Klubbesitzer!“

Düsseldorfs norwegischer Torwart Henrik Haukeland fand nach dem Spiel deutliche Worte. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Abstieg breche ihm das Herz, sagte Haukeland und klang noch trauriger, als er daran erinnerte, dass erst kürzlich binnen weniger Wochen drei Menschen aus dem Umfeld der Mannschaft gestorben waren: der bis 2023 für die DEG aktive Spieler Tobias Eder, die Schwester des Verteidigers Paul Postma und der Bruder des Verteidigers Alec McCrea.

Auch dass 98 Ultras der DEG nach Ausschreitungen rund um das Derby in Köln wochenlang bundesweites Hallenverbot erteilt bekommen hatten und die Stimmung auch bei Heimspielen unter deren Absenz gelitten hatte, dürfte einen Anteil am Niedergang der DEG haben. Zwischen Ende November und Mitte Februar fehlten diesem Klub die Gesperrten sowie aus Solidarität weitere Stimmungsmacher. Trotzdem und trotz der mauen Leistungen der Mannschaft hat die DEG in dieser Saison mit im Schnitt 9104 Zuschauern einen vereinsinternen Publikumsrekord aufgestellt. Aber nicht mal das hat geholfen.

Acht Mal wurde Düsseldorf Meister, zuletzt 1996

„Wir haben fast zehntausend Fans bei jedem Heimspiel, wir haben eine wunderschöne Eishalle und eine wundervolle Stadt“, sagte der Torwart Haukeland, „aber wir haben das alles einfach weggeworfen.“ Natürlich sei es auch die Schuld der Spieler, denn man habe nicht gut gespielt. „Aber die Qualität des Kaders war auch nicht gut genug und Niki Mondt hatte nicht die Chance, ein wettbewerbsfähiges Team zu formen.“

Acht Mal ist die DEG deutscher Meister geworden, zuletzt 1996. Nun ist sie auf einem Tiefpunkt ihrer Geschichte angekommen. „Danke für Nichts“, hatten die Fans vor dem vielleicht letzten Düsseldorfer Erstligaspiel für längere Zeit auf einem Banner geschrieben. „Die DEG wird weiterleben“, antwortete der Verein nach dem Spiel auf dem Videowürfel unterm Hallendach.

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