Der Riss der Achillessehne gehört zu den schwersten Verletzungen im Sport. Nicht selten ist er die Ursache dafür, die Sportkarriere beenden zu müssen.

Han Ying passierte es im Januar vergangenen Jahres beim Tischtennisturnier in Doha: Sie machte im Vorwärtslaufen eine falsche Bewegung mit ihrem rechten Fuß, das war’s. Monatelang kämpfte sie für ein Comeback, im Juli war es dann so weit, beim Turnier in Bangkok, rechtzeitig vor den Olympischen Spielen von Paris. Han trat zu ihrem ersten Match an – und riss sich die Achillessehne im anderen Fuß.

Dass dies das Olympia-Aus für die beste deutsche Tischtennisspielerin bedeutete, war klar, aber es drohte auch das Ende ihrer Karriere. Han ist keine 20 mehr, diese zweite schwere Verletzung ereilte sie im Alter von 41 Jahren. Wieder ein halbes Jahr Pause. Wieder langsam herankämpfen.

Am vergangenen Wochenende feierte sie ihre zweite Rückkehr in den Spitzensport: nicht bei irgendeinem Bundesligaspiel, sondern gleich bei einem der wichtigsten Turniere in Europa. Bei den Europe Top 16, früher als Top 12 bekannt, treffen die besten Spielerinnen und Spieler des Kontinents aufeinander. Han hat dieses Turnier schon zweimal gewonnen, allerdings war das vor der schweren Doppelverletzung.

Ihr erstes Spiel des Turniers im schweizerischen Montreux bestritt sie gegen die Portugiesin Fu Yu, wie Han in China geboren. Jeder Ballwechsel war eine Herausforderung, die Angst spielte mit. »Bei dem einen oder anderen kurzen Ball von ihr, als ich nach vorn laufen musste, dachte ich: oje«, sagte Han hinterher. Aber alles ging gut. »Danach ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.«

Bei der nächsten Partie gegen Fu Yus Landsfrau Shao Jieni ging alles schon viel leichter. Im Halbfinale besiegte Han ihre deutsche Teamkollegin Sabine Winter und stand plötzlich im Endspiel gegen Elizabeta Samara aus Rumänien – und auch die frühere Europameisterin musste sich am Ende geschlagen geben. Sieg beim ersten Auftritt nach zwei Achillessehnenrissen im Alter von 41 Jahren, da gingen Bundestrainerin Tamara Boroš die Vergleiche aus dem Sport aus: »Sie ist einfach ein Tier.«

Han ist in ihrem Sport hochdekoriert. Mit Deutschland wurde sie vierfache Team-Europameisterin, in Rio gewann sie olympisches Mannschaftssilber; mit 41 ist das noch lange nicht das Ende im Tischtennis. Ihre Konkurrentin Fu Yu, die sie in Montreux besiegte, ist mittlerweile 46 Jahre alt.