Das Institut für Weltwirtschaft rät zu einer höheren Schuldenaufnahme in Deutschland und Europa, um höhere Verteidigungsausgaben zu finanzieren. Die Sicherheit Europas sollte nicht wegen fiskalischer Regeln wie der Schuldenbremse aufs Spiel gesetzt werden. So steht es in einem am Donnerstag veröffentlichten Papier der Kieler Forscher .
Deutschland und Europa sollten rasch und ausreichend in Verteidigung investieren, um weitere russische Angriffe von vornherein abzuschrecken. »Sowohl die ökonomische Theorie als auch unsere empirischen Ergebnisse legen nahe, dass Deutschland und Europa kurzfristig vor allem auf Schuldenfinanzierung setzen sollten, um die Verteidigungsausgaben schnell zu steigern«, sagte der Direktor des IfW-Forschungszentrums für internationale Finanzmärkte, Christoph Trebesch.
Britische Sparpolitik während Dreißigerjahren als Negativbeispiel
Das IfW hat die Finanzierung von Militäraufrüstungen und Kriegen von 1870 bis 2020 ausgewertet. Dafür wurden die staatlichen Ausgabestatistiken für 22 Länder untersucht, zusätzlich auch Daten zu Steuern und Schulden. Grundsätzlich hätten Staaten drei Möglichkeiten, um stark steigende Verteidigungskosten zu finanzieren: Kreditaufnahme, Steuererhöhungen und Haushaltskürzungen. In den vergangenen 150 Jahren hätten Regierungen militärische Aufrüstung überwiegend durch die Aufnahme von Schulden finanziert, oft flankiert oder gefolgt von Steuererhöhungen. Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen – von Wohlfahrt und Gesundheit, Bildung, Auswärtiges oder Inneres und Wirtschaft – blieben demnach die Ausnahme.
Als Beispiel für die Gefahr, die eine Politik des ausgeglichenen Haushalts angesichts einer militärischen Bedrohung bergen könne, wird Großbritannien in den Dreißigerjahren genannt. Das britische Finanzministerium hatte demnach auf einer »schwarzen Null« bestanden und bis etwa 1937 umfangreiche Investitionen in Verteidigung verhindert. Zeitgleich hätte Nazideutschland seine Militärausgaben drastisch gesteigert. Dadurch hätte Großbritannien dem späteren Angriff zunächst zu wenig entgegenzusetzen gehabt.
»Ein größerer Krieg in Europa wäre um ein Vielfaches teurer als Investitionen in eine wirksame Abschreckung«, sagte Trebesch. Die Autoren empfehlen daher, Verteidigungsausgaben in Deutschland und Europa von fiskalischen Regeln wie der Schuldenbremse auszunehmen. Ein europäischer Finanzierungsmechanismus oder ein weiteres deutsches Sondervermögen seien Alternativen, aber eine weniger entschlossene Lösung.
Die höhere Schuldenlast könne dann durch höhere Steuereinnahmen und Reformen bei Sozialtransfers und Subventionen finanziert werden. »Aufrüstung überwiegend über Haushaltskürzungen zu finanzieren, wird indes nicht reichen und widerspricht der Evidenz aus den vergangenen 150 Jahren«, hielt Trebesch fest.