Es klingt schon ein wenig nach den Roten Khmer, die in den Siebzigern in Kambodscha wüteten, wie manche Trump-Fans die Zollwut des US-Präsidenten rechtfertigen. »Das Volk der Khmer braucht keine Hauptstadt – wir werden sie einebnen«, hieß es einst. »Ihr braucht das neue iPad nicht, ihr braucht das neue Mobiltelefon nicht, ihr braucht die neue Spielkonsole nicht, ihr wollt sie nur«, predigt nun etwa der YouTuber Jeremy Dale Hambly alias The Quartering einen genügsam-patriotischen Lebensstil in Zeiten des Handelskriegs.
Wenn Trumps Zölle die Wirtschaft bremsen, laufen weniger Fabriken, Büroheizungen und Kraftfahrzeuge, verbrauchen die Menschen insgesamt weniger Ressourcen. Dieser Logik folgen nun auf der Gegenseite mehr und mehr Anhänger des Klimaschutzes, die dem weltpolitischen Chaos noch eine gute Seite abzugewinnen versuchen: Der US-Präsident verfolge wohl eine heimliche Strategie, das Emittieren klimaschädlicher Gase zu drosseln und so die Welt zu retten, ohne unter Gutmenschenverdacht zu geraten, spekulieren sie.
»Vielleicht gelingt Trump, wovon viele Linke seit Langem träumen: Degrowth ohne gewaltsame Revolution und Krieg«, schreibt etwa die Historikerin Hedwig Richter auf der Plattform Bluesky. Man müsse Trump wohl danken, meint der »Guardian«-Kolumnist George Monbiot. Robinson Meyer, Gründer des Klimanachrichtendienstes Heatmap News, verleiht dem Machthaber in Washington den Titel »Degrowth Donald«.
Der Traum vom grünen Wachstum platzt
Natürlich ist all das nicht wirklich ernst zu nehmen, eher eine Mischung aus verzweifelter Hoffnung und bloßem Trolling. Degrowth, also eine Zurücknahme des fossil betriebenen Wachstums, war von den seriösen Vertretern dieser Idee wie dem Anthropologen Jason Hickel nie als allgemeiner Verzicht auf Wohlstand gemeint. Sie wollen stattdessen eine planmäßige Wende von schädlichen zu nützlichen Wirtschaftsaktivitäten – und daran ist mit Trump offenbar nicht zu denken.
Deutlich verschlechtert haben sich die Erfolgsaussichten für das nachhaltige Gegenmodell zu Degrowth: Green Growth, also ein fortgesetztes Wachstum, das aber zunehmend auf klimafreundlichen Techniken basiert. Ob Wind- und Solarkraftanlagen, Elektrofahrzeuge oder Techniken zur Produktion von Wasserstoff – alle wichtigen Zutaten für den erhofften grünen Boom werden über neue Handelsbarrieren, besonders gegenüber China, schwerer zu beschaffen. Dieser Sektor werde in den USA wegen der Zölle besonders stark einbrechen, warnen Experten in der »New York Times« . Es sei unrealistisch, eine Energiewende aus eigener Kraft, made in USA, hinzubekommen, selbst wenn dies politisch erwünscht wäre.
Da hilft es wenig, dass die Zölle auch Stahl für Ölpipelines und Bohranlagen verteuern, dass zugleich in Erwartung einer Rezession der Ölpreis einbricht und Investitionen in neue fossile Anlagen unattraktiver werden. Die Infrastruktur, um massenhaft Kohlenstoff zu verbrennen, ist schon da. Investiert werden müsste hingegen, um Alternativen zu schaffen. Zeiten ohne Wachstum schaffen eher die Bedingungen für ein Weiter-so.
Allianz-Vorstand warnt vor Existenzkrise des Kapitalismus
Doch auch das geht nicht endlos. Daran erinnert Günther Thallinger, Vorstandsmitglied des Versicherungskonzerns Allianz, in einem ziemlich düster klingenden Beitrag auf LinkedIn. Die sich durch den Klimawandel häufenden Extremwetterereignisse wirkten in naher Zukunft systemsprengend, warnt Thallinger. »Hitze und Wasser zerstören Kapital.« Seine Branche könne die Risiken nicht mehr managen, ganze Regionen würden dadurch unversicherbar, wie die enormen Schäden durch Waldbrände in Südkalifornien zeigten. Damit taugten Häuser, Straßen, Stromtrassen, Eisenbahnen, Häfen oder Fabriken auch nicht mehr als Sicherheiten für Bankkredite. Das ganze Finanzsystem werde untergraben, selbst der Staat könne seinen Bürgern kein Sicherheitsnetz mehr bieten, das die Verluste ausgleicht. In einer um drei Grad Celsius erwärmten Welt, schreibt der Manager, »hört der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, auf, tragfähig zu sein«. Es gehe um eine »existenzielle Bedrohung«.
Weltuntergangsstimmung in den Vorstandsetagen? Es führe nun einmal kein Weg daran vorbei, wenn man die Zivilisation erhalten wolle, meint der Allianz-Mann: Die Emissionen von Kohlendioxid in die Atmosphäre müssten gestoppt werden. Als gute Nachricht fügt er an, dass die dafür nötige Technik nicht erst noch erfunden werden muss. Fehlt nur noch die Bereitschaft, umzusteuern.
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Ihr Arvid Haitsch,
Redakteur Mobilität