An diesem Sonntag machen die Spitzenpolitiker von Union und SPD – zumindest offiziell – Pause von den Koalitionsverhandlungen. Stattdessen ließ etwa CSU-Chef Markus Söder seine Follower auf Instagram an seinem fleischlastigen fränkischen Mittagessen (»Schäufele mit Kloß«) teilhaben.
Mit schwerer Kost geht es dann für ihn und die anderen 18 Hauptverhandler am Montag weiter. Dann setzen sie ihre Gespräche fort. Die Koalitionsverhandlungen sind auf der Zielgeraden, aber es gibt noch viele Knackpunkte. Vor allem die Migrations- und Steuerpolitik gilt als strittig.
Laut »Bild«-Zeitung ist auch noch unklar, wann eine mögliche schwarz-rote Bundesregierung die Geschäfte übernehmen könnte. Demnach gibt es bei den Verhandlern noch keine Einigkeit über den Zeitplan. Für die Kanzlerwahl sei im Ältestenrat des Bundestags der 7. Mai angedacht gewesen. Auf diesen Zeitplan hätten sich die womöglich baldigen Koalitionäre aber nicht einigen können, berichtete die Zeitung.
Nächstes Treffen bei der CDU
Seit Freitag haben die Hauptverhandler von CDU, CSU und SPD über die Ergebnisse der 16 Arbeitsgruppen beraten. Nachdem sich die Beteiligten zuletzt in der SPD-Zentrale getroffen hatten, sollen die nächsten Gespräche in der CDU-Zentrale stattfinden. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, bevor die große Runde am Montagabend zusammenkomme, gebe es noch kleinere Runden, die als »Problemlösungsrunden« eingesetzt worden seien.
Die größten Konfliktbereiche dürften bei den Themen Migration, Steuern, Rente und Energie liegen.
Wo es beim Thema Migration hakt
In der Migrationspolitik mahnte der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet am Wochenende eine europäische Lösung an. »Wenn jedes Land einfach nur zurückweist, kommen wir nicht weiter«, sagte Laschet den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. Die von seiner Partei geforderten Zurückweisungen an den deutschen Grenzen hält Laschet allenfalls für eine vorübergehende Lösung.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler rechnet mit einer Einigung in der Migrationspolitik. Dem Deutschlandfunk sagte sie, viele Wähler hätten klargemacht, dass es eine Migrationswende geben müsse. Auch die SPD stehe dafür in der Verantwortung. Güler ließ zugleich erkennen, dass die CDU bereit sei, auf die SPD zuzugehen.
In der zuständigen Arbeitsgruppe, die am Montag ihre Arbeit abgeschlossen hatte, waren Union und SPD bei ihrem Sondierungskompromiss geblieben, wonach es an den deutschen Grenzen »in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn« auch Zurückweisungen von Asylsuchenden geben soll. CDU-Chef Friedrich Merz hat aber auch deutsche Alleingänge bei den Zurückweisungen nicht ausgeschlossen, was die SPD ablehnt.
Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, warnte die SPD nun davor, in den Koalitionsverhandlungen einen schärferen Kurs in der Migrationspolitik zu blockieren. Er erwarte, dass sich vor allem die SPD einen Ruck gebe und den von der Union vorgeschlagenen dringend notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration zustimme, sagte Teggatz dem »Handelsblatt«. Es seien »konsequente und harte Einschnitte notwendig, um tatsächlich eine Kehrtwende zu erreichen«.
Wo es beim Thema Finanzen hakt
Zu den größten Knackpunkten zählen die Finanzen. Im Bundeshaushalt 2025 sowie der Finanzplanung der kommenden Jahre klaffen ohnehin bereits Milliardenlöcher – auch wenn das mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen beschlossene Finanzpaket mit Schulden für Rüstung und Infrastruktur neue Spielräume ermöglicht.
«Wir werden umfassend sparen müssen», sagte CDU-Chef Merz. In den Koalitionsverhandlungen gibt es aber bereits Pläne für neue Milliardenausgaben. So wurde im Sondierungspapier eine Ausweitung der Mütterrente beschlossen, darauf pocht die CSU. Zudem wurden milliardenschwere Entlastungen bei den Strompreisen sowie etwa eine Erhöhung der Pendlerpauschale versprochen.
Viel kosten würde auch eine Senkung der Unternehmensteuern. Das ist allerdings noch umstritten, genauso wie Entlastungen bei der Einkommensteuer. Die SPD will im Gegenzug den Spitzensteuersatz erhöhen, die Union stellt sich quer.
Dazu kommen strittige Vorschläge aus den Arbeitsgruppen. Beispiel: In der Familien-AG trat die SPD für ein kostenloses Mittagessen für Kinder in Kitas und Schulen ein – Kostenpunkt laut Papier pro Jahr: 11 Milliarden Euro. Die Union lehnt das ab.
Zu weiteren Knackpunkten zählen: Wie konkret soll das Rentenniveau gesichert werden? Soll es eine neue Kaufprämie für E-Autos geben? Soll die Aussetzung der Wehrpflicht aufgehoben werden?
Immerhin haben die Verhandler auch Einsparpotenziale ausgemacht: So würde ein Wechsel beim Stromnetzausbau weg von Erdkabeln hin zu Freilandleitungen Milliarden an Kosten einsparen, wie es in einem Papier heißt. Zudem könnte etwa eine Reform des Bürgergelds aus Unions-Sicht für milliardenschwere Einsparungen sorgen.
Welche Forderungen aus der Wirtschaft kommen
Auch Unternehmen und Verbände wollen Einfluss auf die Verhandlungen nehmen. Laut »Bild« schrieben mehr als 65 Verbände an die drei Parteichefs einen Brief.
Darin appellierten sie an Union und SPD, die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsgespräche zur Wirtschaftspolitik neu zu verhandeln und Unternehmen massiv zu entlasten. Die Verbände warnten vor einem weiteren Abstieg Deutschlands und mahnten unter anderem massive Steuersenkungen, Entlastung bei den Sozialabgaben und Bürokratieabbau an.
Warum der Osterfahrplan wackelt
Der voraussichtliche neue Bundeskanzler Merz hatte ursprünglich angepeilt, bis spätestens Ostern eine neue Regierung zu bilden – das wäre in weniger als drei Wochen. Um das zu schaffen, müsste es aber in der anstehenden Woche eine Einigung geben. Denn die SPD hat angekündigt, nach einer Einigung mit der Union auf einen Koalitionsvertrag ihre Mitglieder innerhalb von zehn Tagen darüber entscheiden zu lassen.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte dazu den RND-Zeitungen vom Samstag: Eine Große Koalition sei für die Parteibasis »immer eine Herausforderung«. »Und auch ein Mitgliedervotum der SPD ist immer eine Herausforderung.«
Sollte der Koalitionsvertrag nicht wie angestrebt bis Ostern fertig sein, könne die Mitgliederbefragung auch über die Ferien laufen, sagte Miersch weiter. »Im Zweifel können wir die Osterferien einbeziehen. Wir brauchen mindestens zehn Tage.« Es sei im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, dass sich Union und SPD die nötige Zeit nähmen, auch wenn die Regierung dann erst im Mai stehe.
CDU-Chef Merz sowie auch SPD-Chef Lars Klingbeil hatten zuletzt betont, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit.