Die Europäische Kommission hat erstmals eine Alzheimertherapie zugelassen, die auf zugrundeliegende Krankheitsprozesse abzielt. Der Antikörper Lecanemab sei für eine Behandlung im frühen Stadium und das erste Medikament dieser Art, das in der EU zugelassen werde, teilte die Kommission mit. Fachleuten zufolge kommt nur ein sehr kleiner Teil der Alzheimerpatienten für diese Therapie infrage.
Das Medikament, das in einigen Monaten verfügbar sein könnte, soll die Krankheit ein wenig verlangsamen. Die Zulassung unterliegt laut EU-Kommission strengen Auflagen. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass der Nutzen des Arzneimittels bei einer bestimmten Gruppe von Patienten und unter bestimmten Voraussetzungen die Risiken überwiege.
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Die Brüsseler Behörde folgte mit der Zulassung der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (Ema). Bisherige Alzheimertherapien behandeln nur Symptome der Krankheit, nicht ursächliche Prozesse im Gehirn.
Das ist bei Lecanemab anders: Der Antikörper, der unter dem Namen Leqembi vermarktet wird, richtet sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und soll dadurch den Verlauf der Krankheit in einem frühen Stadium verlangsamen. Um Heilung oder Verbesserung geht es allerdings auch bei diesem Wirkstoff nicht – ein solches Mittel ist weiterhin nicht in Sicht.
Experten zufolge wird es noch einige Monate dauern, bis das Mittel wirklich eingesetzt werden kann – unter anderem, weil der Hersteller verpflichtet wurde, ausführliche Handreichungen und Schulungen für Ärzte auszuarbeiten und ein Beobachtungsregister anzulegen. Das Medikament wird alle zwei Wochen intravenös verabreicht. Lecanemab ist bereits in den USA und mehreren anderen Ländern zugelassen.
Nur für etwa jeden 60. Alzheimer-Kranken
Von den geschätzt etwa 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten in Deutschland kommt Experten des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) zufolge letztlich nur ein sehr kleiner Teil für die neue Therapie infrage. Als frühe Phase – und damit die mögliche Phase für eine Antikörpertherapie – sind demnach die ersten drei Jahre zu werten. Das sind in Deutschland aktuell schätzungsweise etwa 250.000 Menschen.
80 Prozent davon kommen mit Blick auf ApoE4 infrage. Nicht jeder dieser Patienten erfüllt aber alle Voraussetzungen für die Therapie und ist zudem daran interessiert. Konservativ geschätzt sind es Experten zufolge etwa zehn Prozent. In der Summe dieser Faktoren könnten das etwa 20.000 Patienten sein.
Bei Frauen ist der beobachtete klinische Effekt allerdings noch einmal deutlich geringer als bei Männern – ihr Risiko für Nebenwirkungen hingegen höher. Ob sie überhaupt von einer Behandlung profitieren, ist der Alzheimer Forschung Initiative zufolge noch unklar. Rund zwei Drittel aller Menschen mit Alzheimer sind Frauen.