Nach Berichten über Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur Entstehung des Coronavirus hat auch der frühere Leiter des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, Stellung zu den Diskussionen bezogen. »Die Laborthese halte ich mit dem aktuellen Wissensstand für wahrscheinlicher«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« . Zuvor hatte sich der Tierarzt und Fachtierarzt für Mikrobiologie höchstens sehr zurückhaltend in der Sache geäußert – weiterhin ist offen, worauf genau er seine Einschätzung gründet.
Am Mittwoch hatten »Süddeutsche Zeitung« und »Zeit« berichtet, der BND halte es bereits seit 2020 für wahrscheinlich, dass das Virus aus einem Labor stammt. Der BND sei sich bei der These gar zu »80-95« Prozent sicher.
Eine zweite Theorie besagt, dass das Virus natürlichen Ursprungs und wohl von einem tierischen Wirt auf den Menschen übergesprungen ist. Der Huanan Seafood Market in Wuhan, China, wird oft als möglicher Ort des ersten Ausbruchs genannt.
Sicherheit biologischer Forschung
»Egal, woher das Virus kommt – wir müssen alles dafür tun, dass die Wahrscheinlichkeit für Ausbrüche reduziert wird«, sagte Wieler im Gespräch mit der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« weiter. Stamme das Virus aus dem Labor, wäre es »das Schlimmste«, andere Übersprungsszenarien zu vernachlässigen.
Gleichzeitig müsse die Sicherheit biologischer Forschung weltweit gewährleistet werden: »Dass in anderen Ländern teils mit geringen Sicherheitsstandards gearbeitet wird, ist bekannt«, sagte Wieler. »Wir benötigen neue internationale Abkommen zur Biosicherheit in der Forschung.« Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) solle die Koordination übernehmen.
Kritik an fehlender Transparenz
China hat ob des BND-Berichts derweil zur Zurückhaltung gemahnt. »In der Frage des Coronavirus lehnt China jegliche Form politischer Manöver entschieden ab«, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning in Peking am Donnerstag. Die Volksrepublik vertrete die Ansicht, dass wissenschaftliche Fragen von Wissenschaftlern beurteilt werden sollten.
Ebenfalls am Donnerstag hatte sich bereits der Berliner Virologe Christian Drosten zu den Erkenntnissen des BND geäußert. Er war Teil einer vom Kanzleramt um Einschätzung gebetenen Expertenrunde und kritisierte fehlende Transparenz bezüglich des BND-Berichts. Die Quelldaten seien dem Kreis der Wissenschaftler aber nicht zugänglich gemacht worden. »Ich kann daher schon allein mangels Datenzugang kein wissenschaftliches Urteil abgeben«, sagte er.
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags hat die Regierung mittlerweile zur Unterrichtung der Öffentlichkeit aufgefordert. Das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständige Gremium begrüße das Aufklärungsinteresse und den Untersuchungsprozess »ausdrücklich«, hieß es am Freitag.
Kurz nach dem Ausbruch der Coronapandemie Ende 2019 begannen Spekulationen über ihren Ausgangspunkt. Die genaue Herkunft des Virus ist immer noch nicht abschließend geklärt, die Untersuchungen dazu dauern an. Manche Forschende gehen gar davon aus, dass nie eine eindeutige Antwort gefunden wird.
Das Virus hat sich von China aus in die ganze Welt ausgebreitet. Es verursacht die Infektionskrankheit Covid-19 mit verschiedenen Symptomen. Die Pandemie brachte neben der hohen Opferzahl rund um den Globus unter anderem Lockdowns, Reisebeschränkungen und Schulschließungen mit sich.