1. From Musk till Dawn
Es gibt sie noch, die guten Nachrichten: Elon Musk hat angekündigt, ab Mai weniger Zeit damit zu verbringen, die Institutionen des US-amerikanischen Staates kaputtzusparen (hier mehr). Er wolle sich wieder mehr um Tesla kümmern. Offen ist allerdings, ob auch die Belegschaft das als gute Nachricht wertet.
Musk verkündete, die »entscheidende Arbeit« der Behörde für Regierungseffizienz Doge sei »weitgehend erledigt«. Das ist noch nicht einmal gelogen: Zwar gibt es so gut wie keine strukturierten Sparmaßnahmen, die den Apparat effizienter machen. Aber jede Wette, das war auch nie Musks Ziel. Es geht ihm und seinen Leuten ums Kaputtmachen. Alles durchschütteln, aufscheuchen und plattmachen, was ihnen politisch nicht passt oder einfach umständlich erscheint. (Hier eine Zwischenbilanz der Operation Kettensäge. ) »Musk führt nur ein Kürzungstheater auf, das die Leute ablenken soll«, sagte eine Steuerexpertin meiner Kollegin Britta Kollenbroich (hier das ganze Interview ).
Selbst ernannte Disruptoren wie Musk zeichnet eine enorme Eloquenz und Effizienz aus – allerdings nur wenn es darum geht, andere Leute als rückwärtsgewandt und behäbig dastehen zu lassen. Wir sind der Fortschritt, und der fragt nicht, bevor er zutritt, das ist ihre Devise. Was kümmern uns Schwächere, Minderheiten, Andersdenkende? Dass eine Behörde nicht funktionieren darf wie ein Unternehmen, solche Gedanken wollen sie nicht zulassen. (Mehr zur Radikalisierung Musks hören Sie hier in unserer Podcast-Serie »Firewall«.)
Einen vollständigen Abschied von Musk aus dem öffentlichen Sektor wird es wohl leider nicht geben. Ein, zwei Tage pro Woche werde er weiter für Trumps Regierung arbeiten, kündigte er an. »Musk und Trump sind abhängig voneinander«, sagt mein Kollege Max Hoppenstedt. »Musk braucht Trump, um direkt Einfluss nehmen zu können. Und Trump braucht Musk, weil es seine Glaubwürdigkeit in Teilen seiner Gefolgschaft erhöht – sogar der reichste Mann der Welt arbeitet für ihn, das färbt auf sein Image ab.«
Hier finden Sie alle Teile der Podcast-Serie: Der Pakt mit Trump
2. Kevin-Warnung
Kevin Kühnert hat sich erstmals ausführlich zu seinem Rückzug aus der Politik geäußert. Auch er galt einst als Disruptor. Da führte er noch die Jusos an und versuchte, die letzte schwarz-rote Koalition zu verhindern. »Sprengkommando Kühnert« nannten wir ihn damals auf einem SPIEGEL-Cover (hier die Titelgeschichte). Schwarz-Rot kam bekanntlich trotzdem, und Kühnert machte Karriere, wurde stellvertretender SPD-Chef, dann Generalsekretär.
Die Neuauflage von Schwarz-Rot muss ohne ihn auskommen: Im Herbst erklärte er überraschend seinen Rückzug aus der Politik: »Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin.« Mit einer fulminanten Rede verabschiedete er sich aus dem Bundestag (hier mehr ).
Jetzt sagte Kühnert der »Zeit« , sein Rückzug habe auch mit körperlichen Angriffen und Bedrohungen zu tun. Bei einem Auftritt in Detmold etwa habe eine Coronaleugnerin auf ihn eingeschlagen und ihm ein rohes Ei an den Kopf geworfen. Kühnert sagte demnach, er habe sich erst am Abend gefragt, was passiert wäre, hätte die Frau ein Messer gezückt. Bei einem weiteren Vorfall hätten Männer ihn in einer Straßenbahn in Halle an der Saale angestarrt und darüber gesprochen, ihm »die Fresse zu polieren«. Selbst im Urlaub habe er sich nicht mehr sicher gefühlt.
Einer der begabtesten, engagiertesten, prominentesten Politiker des Landes zieht sich zurück – nicht nur, aber auch aus Angst. Egal, wo Sie politisch stehen, solche Sätze bleiben hängen: »Meine rote Linie ist da, wo Gewalt in der Luft liegt.«
Lesen Sie hier mehr: Am Schluss hat sich Kevin Kühnert selbst im Urlaub nicht mehr sicher gefühlt
3. Beben in Istanbul
Am Mittag schicken die Nachrichtenagenturen Eilmeldungen: Eine Reihe von Erdbeben hat Istanbul erschüttert. Das bisher heftigste Beben hatte demnach eine Stärke von 6,2. Viele Menschen flüchteten aus Häusern und Wohnungen ins Freie.
Es gab ersten Meldungen zufolge mehr als 150 Verletzte. Einige seien in Panik aus Fenstern gesprungen, teilte das Istanbuler Gouverneursamt mit. Laut Innenminister Ali Yerlikaya gab es bis zum Nachmittag keine Meldungen über Todesopfer.
Doch die Beben könnten nur Vorboten gewesen sein. Experten gehen davon aus, dass ein Beben rund um die Stärke 7 in der Metropole überfällig ist. Anderthalb Millionen Wohnungen und Geschäfte gelten als gefährdet.
Lesen Sie hier mehr: Erdbeben erschüttert die Millionenmetropole Istanbul
Was heute sonst noch wichtig ist
Der Papst ist gerade erst aufgebahrt, da wird bereits über seine Nachfolge spekuliert. Rom befindet sich derweil im Ausnahmezustand, Tausende Gläubige strömen in den Petersdom. Bald kommen einige prominente dazu. Das News-Update.
Abbas drängt Hamas zur Freilassung der israelischen Geiseln in Gaza: Waffen niederlegen, Geiseln freilassen: Mahmoud Abbas hat die Hamas attackiert und ihre Kämpfer als »Hundesöhne« bezeichnet. Der Palästinenserpräsident wirft der Terrororganisation vor, Israel Vorwände für eine Fortsetzung des Krieges zu liefern.
EU-Kommission verhängt hohe Millionenstrafen gegen Apple und Meta: Die EU-Kommission hat gegen Apple und Meta Strafen in Höhe von 500 Millionen und 200 Millionen Euro verhängt. Nach Ansicht der Behörde haben die Unternehmen gegen europäisches Digitalrecht verstoßen.
Tochter von Premier Bayrou berichtet von Misshandlungen an katholischer Schule: In Frankreich steht Premier François Bayrou unter Druck: Als Bildungsminister soll er in den Neunzigerjahren nicht auf Hinweise zu Missbrauch in einer Schule reagiert haben. Nun meldet sich seine Tochter selbst als Betroffene.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen: Nicht Trump, sondern Putin ist das wahre Verkaufstalent
Moskau friert den aktuellen Frontverlauf ein und erhält dafür eine offizielle Anerkennung der Krim als Teil Russlands: Trumps Team hat Ideen für einen Frieden in der Ukraine vorgelegt. Sie klingen auffallend russlandfreundlich.
Was Häute weniger wichtig ist
Tattoo Gutes und sprich darüber: Linkenfraktionschefin Heidi Reichinnek, 37, denkt über ein neues Tattoo nach, wie sie der »Bunten« kundtat. Über ihre Arme züngeln sich demnach bereits Bilder ihres früheren Katers, eines Otters und Rosa Luxemburgs. Jetzt will sie sich offenbar eine Hyäne stechen lassen. Die Tiere seien sehr fürsorglich und hätten »nur wegen ›König der Löwen‹ ein schlechtes Image«.
Mini-Hohl
Die »Süddeutsche Zeitung« über Bud Spencers Sohn, Giuseppe Pedersoli, und dessen Geschäftspläne: »Von diesem Sommer an sei auch die Vermarktung seines verstorbenen Vaters als Fertigpizza und Bier geplant.«
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Das fragen Sie? Die ersten Folgen der neuen Staffel von »Andor« sind bei Disney+ abrufbar, also der bislang besten »Star Wars«-Serie (ein vorläufiges Ranking finden Sie hier ). Mein Kollege Andreas Borcholte sagt, »Andor« sei »ein packender Politthriller mit radikaler Erzählstruktur« (hier mehr dazu).
Diese Lage am Abend begann mit einer guten Nachricht. Sie endet mit einer schlechten: Die zweite Staffel von »Andor« wird – anders als ursprünglich geplant – auch die letzte sein. Aber hey, nächstes Jahr soll der Mandalorianer-Film ins Kino kommen. Das ist der Weg.
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr
Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion
Kevin Kühnert (im April 2024 in Berlin): »Am Ende war da ein Gefühl von absoluter Vergeblichkeit«
Foto:KreativMedia Berlin / Marten Ron / Marten Ronneburg / IMAGO
Menschen versammeln sich im Freien nach einem Erdbeben in Istanbul
Foto: Khalil Hamra / AP / dpaHeidi Reichinnek
Foto:Kira Hofmann / IMAGO
Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Thomas Plaßmann
»Andor«-Darsteller Luna: Traumabewältigung im revolutionären Kampf
Foto: Lucasfilm / Disney+