Kevin Kühnert hat in der »Zeit« erstmals über die Gründe für seinen Rücktritt aus der Politik gesprochen. Der ehemalige SPD-Generalsekretär begründete den Schritt unter anderem mit Bedrohungen und sogar einem körperlichen Angriff gegen sich.
Bei einem Wahlkampfauftritt in Detmold etwa habe eine Coronaleugnerin auf ihn eingeschlagen und ein rohes Ei aus ihrer Jacke gezogen, das sie ihm an den Kopf warf. Kühnert sagte demnach, er habe sich erst am Abend gefragt, was passiert wäre, hätte die Frau ein Messer gezückt. Bei einem weiteren Vorfall hätten Männer ihn in einer Straßenbahn in Halle an der Saale angestarrt und darüber gesprochen, ihm »die Fresse zu polieren«, wie er laut der »Zeit« sagte.
Keine neue Bundestagskandidatur
Selbst im Urlaub habe er sich nicht mehr sicher gefühlt und seine Ferien deshalb immer öfter in einsamen Gegenden im Gebirge verbracht. »Meine rote Linie ist da, wo Gewalt in der Luft liegt. Ich bin nur 1,70 Meter groß«, sagte Kühnert der Wochenzeitung.
Kühnert war bis Oktober Generalsekretär der Sozialdemokraten, davor stellvertretender Parteichef und bis 2021 Vorsitzender der Jusos. Dann erklärte er überraschend seinen Rückzug . In einer persönlichen Erklärung schrieb er: »Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin. Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden.« Kühnert verzichtete auch auf eine erneute Bundestagskandidatur.
In den vergangenen Monaten war nur wenig von ihm öffentlich zu hören und zu sehen. Einmal fingen ihn Fernsehkameras beim DFB-Pokalspiel seines Lieblingsklubs Arminia Bielefeld gegen Werder Bremen ein. Aber sonst: kaum etwas.
Warum sich Kühnert aus der Politik zurückzog? Er habe den Glauben verloren, gegen den Hass ankämpfen zu können, der vor allem in den sozialen Netzwerken verbreitet werde. »Ich konnte irgendwann nur noch daran denken, dass da draußen Millionen von Menschen sind, die wir Politiker niemals alle persönlich erreichen können «, sagte Kühnert. »Vielleicht ist das der Punkt, wo es pathologisch geworden ist. Am Ende war da ein Gefühl von absoluter Vergeblichkeit.«
Kühnert schließt nicht aus, noch einmal in die Politik zurückzukehren. »Ich bin nicht ausgestiegen, weil ich das alles lächerlich oder überflüssig fände«, sagt er. Im Februar hatte Kühnert in seiner vorerst letzten Bundestagsrede vor Geschichtsvergessenheit gewarnt und den nun designierten Kanzler Friedrich Merz (CDU) kritisiert.