Verwirrt und verwandelt: Was Mario Götze in der 56. Minute machte, wirkte wenig weltmeisterlich. Frankfurts Stürmer Hugo Ekitiké setzte den Ball an den Pfosten, von wo er zum sichtlich überraschten Götze sprang. Der hatte das leere Tor vor sich, konnte aber auf die Schnelle seinen Körper nicht ausbalancieren und vergab die große Chance. Besser machte er es dann 14 Minuten später. Erst spielte Götze höchstselbst einen Traumpass, dann schoss Hugo Larsson an den Pfosten. Wieder passte Götze auf, dieses Mal staubte er erfolgreich ab. »Beim zweiten war es leichter«, sagte Götze nach seiner starken Leistung grinsend bei Sky. Der Torschütze zum WM-Sieg 2014 wirkt formstark und locker wie lange nicht.
Ergebnis: Eintracht Frankfurt gewann das Topspiel des 27. Spieltags der Fußball-Bundesliga 1:0 (0:0) gegen den VfB Stuttgart. Die Eintracht rückt zumindest vorübergehend auf Platz drei und darf wohl bald mit der Champions League planen. Die Schwaben dagegen, in der Vorsaison als Zweiter ebenfalls für die Königsklasse qualifiziert, kommen nicht vom Fleck und bleiben Zehnter.
Schwäbische Torsparsamkeit: Trotz fünf Spielen in Folge ohne Sieg startete Stuttgart nicht verunsichert, sondern drängte sofort auf die Führung. Nach Vorarbeit von Chris Führich schloss Jamie Leweling etwas zu zaghaft ab (1. Minute) und verpasste das Tor ebenso wie Enzo Millot, der den besser postierten Führich übersah und knapp vorbeischoss (7.). In der Vorsaison wäre wohl eine dieser beiden Möglichkeiten drin gewesen, aber zurzeit fällt den Schwaben vieles nicht ganz so leicht.
Eine Grätsche wie ein Kunstwerk: Und so kam auch Frankfurt besser ins Spiel, verschaffte sich über eine gesunde Zweikampfhärte Zugang zum Spiel. Ansgar Knauff hätte die Eintracht dann eigentlich in Führung bringen müssen. Nach einem langen Ball verlor Stuttgarts Verteidiger Maximilian Mittelstädt die Orientierung, Knauff zog davon, umkurvte Keeper Alexander Nübel und wollte locker einschieben (18.). Doch der wenige Sekunden vorher noch indisponierte Mittelstädt war zurückgesprintet und grätschte den Ball weg. Diese Rettungsaktion war mindestens so sehenswert wie so mancher Treffer.
Ist auch mal gut: Besonders bitter für Knauff: Als er nach dem Abschluss weiterlief, verließ ihn die Körperspannung. Während er dem Ball und dem grätschenden Mittelstädt nachschaute, knickte er böse weg, verdrehte sich ein Knie und blieb liegen. Kurze Zeit später musste er raus. Der übertragende Sender Sky zeigte die Szene in der Halbzeitpause gleich mehrfach in Zeitlupe, so oft, dass man am liebsten wegschalten wollte.
Ein Ringkampf auf dem Rasen: Stuttgart gab sich auch nach der Pause nicht auf, Frankfurt wurde aber immer stärker. Auch, weil der VfB sich immer wieder selbst in Schwierigkeiten brachte. Einmal wagte Torhüter Nübel einen Ausflug, verlor den Ball, Frankfurt nutzte den Lapsus aber nicht. Dann wurde es richtig bitter für Stuttgart: Frankfurts pfeilschneller Angreifer Ekitiké setzte zum Sprint in Richtung Tor an, der junge Stuttgarter Verteidiger Ameen al-Dakhil sah das Unheil kommen, konnte es aber nicht verhindern und rang seinen Gegner zu Boden. So verhinderte er das Gegentor, musste aber mit einer Roten Karte vom Platz (56.). Neben al-Dakhil stand noch der Stuttgarter Jeff Chabot, er hätte aber wohl nicht mehr eingreifen können. »Jeff wäre nicht hingekommen«, gestand Nübel. Beim Platzverweis stand es noch 0:0, aber die zuletzt oft so glücklosen Schwaben so lange in Unterzahl? Es gab schon bessere Ausgangsszenarien.
»Woltemessi« kann nichts machen: Einen Trumpf hatte VfB-Trainer Sebastian Hoeneß aber noch: Nick Woltemade. Der brillierte unter der Woche noch für die deutsche U21-Nationalmannschaft, trotz seiner 1,98 Meter Körpergröße wirbelte er mühelos durch die Abwehrreihen. »Er hat seine Beine besser unter Kontrolle wie manch 1,70-Spieler«, sagte Hoeneß vor dem Spiel. Sein Gegenüber auf der Trainerbank, Dino Toppmöller, nannte den Offensivspieler sogar scherzhaft »Woltemessi«. Der vor der Saison aus Bremen gekommene Wirbelwind saß zunächst auf der Bank, es geht um Belastungssteuerung vor dem Pokalspiel gegen Leipzig. In der 61. Minute betrat er den Rasen, hatte einige starke Aktionen, blieb einige Male hängen. Nach dem Spiel wurde er bei Sky auf ein angebliches, loses Interesse des FC Bayern angesprochen, sagte aber, so was beschäftige ihn gar nicht.
Götze vorne, Götze hinten: Weder Woltemade noch seine Kollegen konnten das Spiel noch biegen gegen leidenschaftliche Frankfurter, bei denen selbst Altmeister Götze am Ende an der eigenen Eckfahne verteidigte und lustigerweise bei einer Ecke trotz seiner 1,76 Meter Körpergröße zur Bewachung von Woltemade eingeteilt war. Frankfurt hatte in einem leidenschaftlich geführten Spiel dann noch die besseren Chancen, es blieb aber beim knappen Sieg.
So geht es weiter: Der VfB blickt auf Mittwoch, dann kommt RB Leipzig zum Pokalhalbfinale in die schwäbische Landeshauptstadt. Der Pokalsieg ist möglich für Stuttgart und natürlich ein großes Ziel in dieser Saison, in der die Champions-League-Plätze in der Liga nun wohl endgültig aus dem Sichtfeld geraten sind. Die Eintracht hat unter der Woche frei, reist am kommenden Samstag nach Bremen, ehe es in der Europa League bei Tottenham Hotspur weitergeht.
Verteidiger Mittelstädt, Unglücksrabe Knauff: Spektakuläre Grätsche
Foto: Arne Dedert / dpaShootingstar Woltemade: Von Frankfurt vom Ball getrennt
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